Organisation&Geschichte

Existenz und heutige Organisationsgestalt der Ges.f.P.V.T. verdanken sich wesentlich der Klarheit, der Entschlossenheit und nicht zuletzt der Widerstandsbereitschaft einer Gruppe von Kolleginnen und Kollegen am Beginn der 1990erJahre, kurz nach Beschlussfassung des Psychotherapiegesetzes in Österreich. Als Proponenten dieser Bewegung gründeten Mag. Eveline Schöpfer-Mader und Dr. Harald Meller am 7. Jänner 1992 den Tiroler Landesverband für Psychotherapie (TLP) rechtzeitig als eigenständigen Verein. Damit wurde in Österreich eine föderalistische Organisationsstruktur für den kurze Zeit später – am 11. Jänner 1992 – gegründeten Österreichischen Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP) unumgänglich. Im Vorfeld waren zunehmende zentralistische Organisationsabsichten für die Gestaltung der Berufsvertretung in Österreich deutlich geworden, welche nicht in das damalige Selbstverständnis der Tiroler KollegInnenschaft passen wollten.

Diese Möglichkeit zum selbständigen Handeln sollte sich bald darauf als günstig erweisen: ab Mitte 1993 verhandelte eine Arbeitsgruppe (Dr. Gerhard Crombach, Dr. Harald Meller, Dr. Helene Sturm) – vom TLP mit Kassenverhandlungen betraut – bereits sehr konzentriert mit der TGKK. Die Verhandlungen auf Bundesebene waren zu dieser Zeit bereits ein erstes Mal gescheitert, regionale Lösungen sollten versucht werden.
Am 28. Oktober 1993 wurde in einer TLP-Generalversammlung die Gründung einer Gesellschaft für Psychotherapeutische Versorgung Tirols (Ges.f.P.V.T.) als eigenständige Körperschaft zur Erlangung von Vertragsfähigkeit beschlossen – Wunsch und Bedingung der Tiroler Gebietskrankenkasse (TGKK). Als verhandlungsführender Vorsitzender übernahm Dr. Harald Meller in weiterer Folge die intensiven Verhandlungen mit der TGKK (Jänner 1994 bis zum erfolgreichen Vertragsabschluss Ende März 1994).

Mit 1. April 1994 begann nun die operative Tätigkeit der Gesellschaft. Bis 1997 verantwortete Dr. Harald Meller in Personalunion als Vorsitzender beider Organisationen sowohl die Geschicke des TLP als auch jene der Ges.f.P.V.T.

Die Ges.f.P.V.T. verstand sich zunächst als Provisorium bis zum Abschluss eines Gesamtvertrages auf Bundesebene, dementsprechend bescheiden waren zu Beginn die räumlich-organisatorischen Verhältnissen in der Innsbrucker Altstadt.
Nach zweistelligen Zuwachsraten in den ersten drei Jahren der Sachleistungsversorgung setzte 1997 die TGKK den bereits befürchteten begrenzenden „Ausgabendeckel“ auf das Tiroler Modell. Damit hatte die TGKK die Steuerung der Begrenzungs- und Verteilungsdynamik in die Verantwortlichkeit der Ges.f.P.V.T. verlagert. Verständlicherweise war es nun nicht mehr möglich, die Interessen der Berufsvertretung und Steuerungsnotwendigkeiten der Versorgung konfliktfrei „in einem Haus“ zu regeln.
Eine klärende Stellungnahme der Ethikkommission des TLP unterstrich diese Notwendigkeit einer durchgehenden Trennung der Funktionen von Berufsvertretung (TLP) einerseits und Steuerungsverantwortung für die Versorgung (Ges.f.P.V.T.) andererseits.
Dr. Harald Meller beendete sein Mandat als Vorsitzender des TLP nach drei Jahren und setzte als geschäftsführender Vorsitzender der Ges.f.P.V.T. die weitere Gestaltung und den Ausbau der Organisation fort.
Zu diesem Zeitpunkt – 1997 – war das Tiroler Modell das einzige österreichische Pilotprojekt für psychotherapeutische Sachleistungs-Versorgung. Dies sollte bis in die 2000er-Jahre so bleiben, entsprechend vorbildhaft auf der einen Seite und kritisch-neidisch beäugt auf der anderen Seite gestaltete sich das Verhältnis zur Tiroler Lösung in den anderen Bundesländern. Allerdings zeichnete sich bereits ab, dass der gefundene Kompromiss zwischen sozialversicherungsrechtlichen Bedingungen, psychotherapeutisch-fachlichen Qualitätsmaßstäben und einer hohen Struktur- und Prozessqualität in der Durchführung beispielgebend werden würde.

In den Folgejahren gelang es Schritt für Schritt – analog zum bestehenden Vertrag mit der TGKK – Sachleistungsverträge mit den anderen Kassen (BVA, SVA, SVB und VAEB) sowie Begutachtungsverträge für die Zuschussregelung mit der TGKK und der KUF Tirol abzuschließen. Neben einem erweiterten Zugang für andere Versichertengruppen konnte so auch die Behandlungskontinuität bei Versicherungswechseln gewährleistet werden.

Die Ausführliche Deskriptive (DSM III/DSM IV, ICD 10) & Psychotherapieorientierte Diagnostik und das Kommissionelle Antragsverfahren mit einer doppelt anonymisierten Einzelfallbegutachtung stellen einen wesentlichen Grundpfeiler des Tiroler Modells dar.
FA Dr. Gerhard Crombach übernahm 1994 als erster Leiter der Gutachterkommissionen diese psychotherapiemethodisch und schulendynamisch anspruchsvolle Aufgabe. In ausführlichen Diskussionen und unter sorgfältiger Abwägung des Gegebenen entstand das Konzept, die psychotherapeutischen Hauptrichtungen („Cluster“) mit je einem/einer Gutachterin zu besetzen, um keine Schulendominanz entstehen zu lassen. Damit wurde die den Krankenversicherungsträgern in Aussicht gestellte verlässliche und evidenzbasierte Einschätzung der „Krankheitswertigkeit der Störung“ ermöglicht, ohne sich in den psychotherapietypischen Schulendifferenzen wiederzufinden – mit der psychiatrisch-fachärztlichen Zusatzqualifikation des Leiters war die sozialversicherungsrechtlich unerlässliche Verbindung zum medizinischen Krankheitsmodell gesichert.
Mit der Pensionierung von Dr. Crombach übernahm im April 2006 FA Dr. Roland Winter mit gleichem Qualifikationsmuster als Leiter der Begutachtung die operative Verantwortung. In der Leitung der mittlerweile drei Gutachterkommissionen wird er von FA Dr. Franz Altenstrasser und FA Dr. Werner Muigg unterstützt.

2003 (es gab noch immer keinen Gesamtvertrag auf Bundesebene) wurde eine erste Übersiedlung der in diesen neun Jahren stark gewachsenen Ges.f.P.V.T. in größere Büroräumlichkeiten in der Maria-Theresien-Straße 8 (Norz-Haus) unvermeidlich.
2008 erfolgte schließlich die vorläufig letzte Übersiedlung, diesmal in die bis heute genutzten Räumlichkeiten in der Museumstrasse 23.

2010/2011 wurden mit Dr. Heinz Hollaus, Vizedirektor der TGKK (Verhandlungspartner von der ersten Stunde an) weitere wichtige Steuerungs- und Kooperationsprojekte entwickelt und umgesetzt.
Zunächst wurde
die „Dynamische Bedarfsfeststellung“ mit zeitgemäßen EDV-basierten Erfassungsmethoden (verantwortet von Dr. Gerhard Wagner) eingeführt. Damit konnte erstmals eine auf empirischen Daten beruhende Übersicht über die Versorgungssituation gewonnen werden. Dies sollte die Voraussetzung für die weitere, immer wichtiger werdende Patientenstromsteuerung werden.
Die „Psychosoziale Beratung“ war die daraus folgende logische Entwicklung. Personen auf der Suche nach psychotherapeutischer Versorgung können sich durch die Implementierung unserer Beratungsleistungen in die regionalen Servicestellen der TGKK unmittelbar und niederschwellig von unseren Fachkräften in vertraulichen Einzelgesprächen Informationen holen.
Parallel dazu – aus heutiger Sicht ein wesentlicher Schritt – wurde an diesen regionalen Beratungsstandorten mit dem Aufbau eines zusätzlichen Gruppen-Angebots („Basis-Gruppen“) begonnen. Nach kurzer Entwicklungszeit konnte dieses Angebot in Form von sieben niederschwelligen Basisgruppen tirolweit – und annähernd flächendeckend – realisiert werden. Die wöchentlich teilnehmenden KlientInnen haben einen verlässlichen Raum für Stabilisierung und Planung allfällig weiterer Behandlungen. Ebenso ist damit natürlich auch eine rasche Erstversorgungsmöglichkeit gewährleistet.
Für einen nicht unbeträchtlichen Prozentsatz der KlientInnen ist die Teilnahme an „ihrer“ Basisgruppe im Sinne eines längerfristigen Gruppentherapieprozesses sogar zum therapeutischen Mittel der Wahl geworden. 

2016 wurde mit der TGKK der weitere Ausbau des Gruppenangebots („Intensivgruppen) vereinbart. In den vergangenen Jahren  war durch die Arbeit in den Basisgruppen deutlich geworden, dass eine längerdauernde intensive Gruppenpsychotherapie – nach der Inanspruchnahme notwendiger einzelpsychotherapeutischer und/oder rehabilitativer Interventionen – für viele PatientInnen und Patienten äußerst sinnvoll sein würde. Besonders für Personen mit ausgeprägt symptominduzierter Motivation zur Psychotherapie hatte sich gezeigt, dass nach der Symptomreduktion das Fehlen dieser Unterstützungsform häufig zum Stillstand der weiteren Verarbeitung bzw. zu Rückfällen in der Entwicklung führte. Von großer Wichtigkeit sind dabei zudem die positiven soziokulturellen Effekte in länger dauernden gruppenpsychotherapeutischen Prozessen (Solidarität, Gefährtenschaft, Beheimatung, Reduktion von sozialer Einsamkeit und Ausgesetztheit). Besonders aus salutogenetischer Betrachtungsperspektive (=Förderung der Gesundheit durch Verstärkung gesunder Verhaltensweisen) bildet die Dynamik in der Gruppe Lebenswirklichkeiten präziser und komplexer ab. Damit werden Neuorientierung in der Lebenswelt bzw. Wiedereinstieg in berufliche Verantwortungen gefördert.
Die beschriebenen Prozesse sind langwierig und verlangen sowohl einen einfachen Zugang wie eine hohe organisatorische Verlässlichkeit. Beides wird durch die Einbettung der operativen Umsetzung in die Organisation gewährleistet. Die semiinstitutionell angestellten KollegInnen, welche diese Gruppen leiten, bieten mit den Intensivgruppen seit 2017 eine psychotherapeutisch-rehabilitativ wirkungsvolle Nachsorge.
Tirolweit betreiben wir zur Zeit zwölf Psychotherapie-Intensivgruppen mit wöchentlichem Arbeitsblock von drei Einheiten (=2½ Stunden mit kleiner Pause) und mit bis zu je zwölf TeilnehmerInnen. Aktuell können in den sieben Basisgruppen und den zwölf Intensivgruppen etwa 200 Personen gruppenpsychotherapeutisch versorgt werden.

2017 konnte das räumliche Funktionsprogramm in der Museumstrasse 23 durch die zusätzliche Anmietung des frei gewordenen, angrenzenden Nachbarbüros nochmals an die weiter gewachsenen und inhaltlich verdichteten Aufgaben angepasst werden. Am 14.12.2017 wurde mit der Gründung einer gemeinnützigen GmbH als 100%-Tochter des Vereins auf die kontinuierlich gestiegenen Anforderungen (organisatorisch, informationstechnisch und nicht zuletzt datenschutzrechtlich) reagiert. Das verdichtete Haftungsrisiko für Vorstandsmitglieder des Vereins hatte im Laufe der Jahre durch diese Entwicklung immer mehr an Brisanz gewonnen und die ehrenamtlich tätige Vorstandsmitgliederschaft unverhältnismäßig belastet.

Mit 1.1.2018 übernahm die gem.GmbH die operativen Verpflichtungen der Ges.f.P.V.T. im Rahmen der diversen SV-Vertragspartnerschaften.
Als Geschäftsführer der Ges.f.P.V.T. gem.GmbH
wurde Dr. Gerhard Wagner, langjähriges Vorstandsmitglied der Ges.f.P.V.T., bestimmt.

Seit vielen Jahren werden der jeweilige Jahresabschluss und die Bilanzen der Ges.f.P.V.T. bzw. nun auch der Ges.f.P.V.T. gem.GmbH – wie auch die internen Kontrollen im Bereich des Rechnungslegungsprozesses – jährlich von einem externen Wirtschaftsprüfungsunternehmen mit einem risiko- und kontrollorientierten Prüfungsansatz gemäß der International Standards on Auditing (ISA) geprüft – und bisher stets mit uneingeschränktem Bestätigungsvermerk bewertet. Ergänzend dazu erfolgen Auditings zu technischen und sicherheitsrelevanten Fragen, besonders im sensiblen Bereich der Verarbeitung von Gesundheitsdaten.

Mit 1.1.2020 ist die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) an die Stelle der Gebietskrankenkassen getreten, in den beiden neuen Versicherungsträgern BVAEB und SVS wurden die BVA und die VAEB bzw. die SVA und die SVB zusammengeführt. Von allen drei neuen Trägern wurden die bestehenden Leistungsverträge vollinhaltlich übernommen, sodass die Psychotherapeutische Versorgung im Tiroler Modell in bewährter Weise weiterentwickelt werden kann.

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